Es ist zum Schlagwort unserer Zeit geworden: Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In erster Linie trifft diese Forderung Frauen, die in der Lage sein sollen, beides unter einen Hut zu bringen.
Ist die Vereinbarkeit überhaupt möglich?
Die Zeit, wenn ein Baby geboren wurde, ist herrlich. Doch schon bald stellt sich die Sorge junger Mütter ein, dass sie den Anschluss im Job verlieren könnten. Sie wollen nicht im Haushalt gefangen sein, sich nur um das Kind kümmern und dem Mann am Abend, wenn er aus dem Büro kommt, die Pantoffeln bereitstellen. Aus solchen Zeiten sind wir längst heraus, heute haben Frauen das gleiche Recht auf Karriere wie Männer. Zumindest theoretisch, denn praktisch sind beide Geschlechter längst nicht gleichgestellt.
Zum einen verdient der Mann meist mehr, weshalb es wichtiger ist, dass er in Vollzeit arbeiten geht. Zum anderen braucht ein Baby zuerst einmal seine Mama. Der „Nestbautrieb“ tut sein Übriges und schon ist die junge Mutter aus dem Job heraus. Befindet sich das Kind dann in einem Alter, in dem es guten Gewissens einer Fremdbetreuung durch Kita oder Tagesmutter übergeben werden kann, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit von Job und Familie. Was kann ich tun, damit sich einerseits alles rund ums Kind dreht, andererseits der Job aber ebenso Priorität genießt? Die Antwort lautet: Nichts! Es ist schlichtweg unmöglich, eine wirkliche Vereinbarkeit zu finden.
Das Elternsein ist ebenso Hauptbeschäftigung wie der Job, der in Vollzeit ausgeübt werden muss. Leider hat der Tag aber auch für Eltern nur 24 Stunden, weshalb einer der beiden Bereiche zurückgestellt werden muss. Oder es werden beide gleichgesetzt, können dennoch nicht vollständig ausgeübt werden. Das Arbeiten in Teilzeit wird seitens der Arbeitgeber gern als Möglichkeit zur Vereinbarung von Familie und Beruf dargestellt, ist in der Realität aber nur ein fauler Kompromiss: Wer nur noch in Teilzeit arbeitet, kann seine Projekte nicht mehr wie früher bearbeiten und abschließen, die Arbeit wird zwangsläufig gekürzt. Dennoch bleibt für die Familie auch nicht so viel Zeit wie gewünscht, denn für viele Teilzeitjobber sind Überstunden an der Tagesordnung.
Selbstständig arbeiten für eine bessere Vereinbarkeit?
Wer selbstständig arbeitet, kann Familie und Beruf – zumindest theoretisch – besser unter einen Hut bekommen. Er kann arbeiten, wann immer es passt, vorausgesetzt, der Selbstständige oder Freiberufler muss sich nicht an die Arbeitszeiten oder Öffnungszeiten seiner Kunden halten und für diese erreichbar sein.
Ansonsten gilt, dass Projekte oder Leistungen auch abends oder nachts erbracht werden können. Das Baby schläft? Prima, die Zeit lässt sich hervorragend zum Arbeiten nutzen. Das Kind geht in den Kindergarten oder in die Schule? Schnell, schnell, damit die Arbeit erledigt ist, ehe der Nachwuchs wieder die volle Aufmerksamkeit beansprucht.
Das klingt erst einmal gut und scheint praktikabel. Doch die meisten Selbstständigen wissen, dass diese theoretische Betrachtungsweise in der Realität nicht funktioniert. Wer kann sich schon auf Abruf konzentrieren? Somit hat das Kleine zwar gerade die Augen zugemacht und startet seinen zweistündigen Mittagsschlaf, doch die eigene Konzentration ist im Keller.
Effektiv bleibt damit nicht die Hälfte der eigentlich freien Zeit zum Arbeiten übrig, denn Disziplin, Motivation und Konzentration müssen erst einmal aktiviert werden. Das gilt auch für den Abend, wenn die Kinder im Bett sind. Jetzt noch mit der Arbeit anfangen? An manchen Tagen mag das gut funktionieren, an anderen hingegen stellt sich so mancher Selbstständige die Frage, ob es nicht gewinnbringender ist, einfach schlafen zu gehen.
Angestellt oder selbstständig arbeiten?
Der Vorteil daran, angestellt tätig zu sein, ist, dass feste Arbeitszeiten vorgegeben sind. Das Kind wird pünktlich in die Betreuung gegeben, Sie starten mit Ihrer Arbeit. Sie haben (hoffentlich) pünktlich Feierabend und nun Zeit für die Familie und notfalls auch für den Haushalt. Sie nehmen Urlaub, wenn die Kinder Ferien haben und bekommen frei, wenn sich ein fieser Virus breitgemacht hat und die Kleinen hustend und schniefend im Bett zu versorgen sind. Andererseits hat Ihr Chef das Recht auf erledigte Aufgaben und Projekte und darf erwarten, dass Sie Ihnen übertragene Aufgaben pünktlich erledigen. Wenn nun immer wieder Ausfälle Ihrerseits dazwischen kommen, ist Frust vorprogrammiert.
Ein Selbstständiger hingegen hat die Möglichkeit, die Krankheitsbetreuung nebenbei zu organisieren, sofern er von zu Hause aus arbeitet. Er kann mit dem Kind zum Arzt fahren, wenn es nötig ist und muss dafür niemanden um Erlaubnis fragen. Er muss dafür längere Zeiten der Verhinderung „herausarbeiten“: Wer mit der Familie in den Urlaub fahren möchte, muss diese Zeit vor- oder nacharbeiten. Denn: Einen bezahlten Urlaub gibt es für Selbstständige nicht, Urlaub bedeutet für sie immer eine Zeit des kompletten Umsatzverlusts. Das gilt zumindest für Gründer und Selbstständige, die allein arbeiten.
Wer soweit ist, dass sein Unternehmen auch in Zeiten seiner Abwesenheit gut läuft und sicher arbeitet, ist schon einen Schritt weiter und der perfekten Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen großen Schritt nähergekommen. Die meisten Gründer und jungen Selbstständigen jedoch können auf ein solches Ideal nicht zugreifen und müssen schauen, welche Hilfsmittel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sie nutzen können.
Elterngeld für alle
Die Bundesregierung hat mit dem Elterngeld eine wichtige Grundlage dafür geschaffen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Allerdings sind auch hier wieder Gründer und Selbstständige benachteiligt, denn das Geld, das Sie durch das Elterngeld zugestanden bekommen, reicht in der Regel nicht, um den vorherigen Stand des Umsatzes zu erreichen. Arbeiten sie nun weiter, um den finanziellen Verlust auszugleichen, wird dieser Umsatz direkt wieder angerechnet und muss überdies versteuert werden. Viel Aufwand für wenig Geld also.
Die Idee des Elterngeldes ist ohnehin für einen Angestellten deutlich interessanter. Denn er kann das Geld in seiner vollen Höhe in Anspruch nehmen und muss während der Elternzeit nicht arbeiten. Ein Zuverdienst ist möglich, aber häufig nicht nötig. Der Angestellte startet nach der Elternzeit in Voll- oder Teilzeit in seinem Job und muss sich zwar einarbeiten, kann sich seiner Anstellung aber in der Regel sicher sein. Ein Gründer oder Selbstständiger hingegen muss nicht nur auf das Geld schauen, sondern auch auf die Kunden. Wenn diese für mehrere Monate oder sogar ein Jahr lang nicht auf den Dienstleister zählen können, suchen sie sich einen anderen Anbieter. Sind sie dann mit diesem Ersatz zufrieden, wechseln sie nur selten wieder zum früheren Geschäftspartner zurück.
Die Folge. Der Selbstständige startet nach der Elternzeit nicht nur mit sehr viel weniger Geld in der Hinterhand, sondern vor allem mit dem Problem, dass der Kundenstamm geschrumpft ist. Intensive Marketingmaßnahmen sind nötig, um wieder auf den früheren Stand zu kommen. Alles in allem sind damit die finanziellen Belastungen um ein Vielfaches höher als bei einem Angestellten.
Fazit: Vereinbarkeit für Angestellte oder Selbstständige besser?
Es gibt viele Dinge, die die Arbeitgeber tun, um einem Angestellten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Auch die Bundesregierung versucht, Gründer und Selbstständigen diese Vereinbarkeit zu ermöglichen. Fakt ist aber, dass
- die Vereinbarkeit nur unter Einschränkungen gegeben ist
- Frauen eher zurückstecken müssen als Männer
- die finanziellen Unterstützungen für Selbstständige längst nicht ausreichend sind
- der Start nach der Elternzeit für Angestellte leichter verläuft als für Selbstständige
Gerade Gründer sollten sich gut überlegen, ob Sie direkt in dieser Phase die Pläne zur Familienbildung umsetzen oder ob ein späterer Zeitpunkt nicht besser ist. Da sich derartige Dinge aber nicht immer planen lassen, sollte ein guter Plan B vorhanden sein, der sich vor allem um eine gute Betreuung des Kindes dreht.
Idealerweise lässt sich die Familie mit einbeziehen, sodass auch Großeltern oder Geschwister einen Teil der Kinderbetreuung übernehmen können, wenn die von der Regierung versprochenen Kita-Plätze wieder einmal nicht ausreichend sind. Außerdem sollten beide Eltern einen Weg finden, wie sich die Betreuung teilen lässt, denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann kein Zwang nur für die Mütter sein.
Bisher ist es in jedem Fall so, dass Angestellte bessere Chancen auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben, auch wenn sie dafür Kürzungen im Job in Kauf nehmen müssen.
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