Tippen im Büro unter Kollegen wird immer beliebter. Eine spannende Umfrage zeigt das wahre Ausmaß des Wettfiebers in Deutschland. Lohnen sich auch StartUps rund ums Wettvergnügen?
Tippen im Büro: Deutsche Mitarbeiter sind fußballverrückt
Die WM 2018 hat gezeigt: Wetten auf Fußballergebnisse sind ein heißer Trend. Die Jobbörse „Indeed“ wollte es genau wissen und befragte 4.309 Arbeitnehmer zum Thema Tippgemeinschaft in den Firmen.
Ergebnis: Immerhin 28 Prozent aller Befragten antworten, dass eine Tipprunde im Unternehmen geplant ist. Ein weiteres Viertel wünscht sich ein solches Tippspiel. Und 85 Prozent aller Mitarbeiter beteiligen sich mit einem Wetteinsatz, wenn eine WM-Tipprunde in der Firma geplant ist.
Tolle Zahlen, aber kann man daraus ein Business machen? Gibt es eine Nachfrage, um online mit Wetten seinen Lebensunterhalt zu finanzieren?
Video: Standort Berlin – Das Start-Up für Start-Ups
Tippen im Büro: Potential für StartUps
Die Nachfrage ist da: Lohnen sich aber StartUps im Bereich Sportwetten und ist das überhaupt erlaubt? Antwort: Es ist möglich, ein Wettbüro zu eröffnen und sich die Lizenz aus Gibraltar oder Malta zu besorgen. Problem: Online-Sportwetten dieser Art sind in Deutschland eigentlich illegal. Europäisches Recht kollidiert hier mit deutschem Recht. Solange der deutsche Gesetzgeber aber keine eigenen Spielregeln formuliert hat, besteht eine rechtliche Grauzone.
Hinzu kommen Streitigkeiten zwischen den Bundesländern. Diese sind in Deutschland zuständig fürs Glücksspiel. Manche Länder wie Hessen plädieren für strengere Restriktionen in Sachen Online-Wetten & Co. Andere wie Schleswig-Holstein sind liberaler bzw. verlangen Regelungen, die grundsätzlich konform mit Europarecht sind.
Schärfere Regeln in Sachen Glücksspiel und Wetten geplant
Wichtig für StartUps: Eine Neuregelung ist fest geplant. Kein Gründer sollte sich auf aktuelle Rechtsunsicherheiten verlassen. Und die Tendenz geht klar in Richtung Verschärfung der Regeln. Schon der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag räumt dem Schutz vor Spielsucht einen hohen Stellenwert ein. Die Folgen spüren jetzt schon Spielhallenbetreiber. Reihenweise werden in allen Bundesländern Betriebe geschlossen. Häufig ist der Mindestabstand zwischen der Spielhalle und Schulen beziehungsweise anderen Jugendeinrichtungen zu klein.
Ähnliches ist für den Bereich Online-Sportwetten zu erwarten. Also das Tippen im Internet auf Weltmeisterschaft, Bundesliga oder der Wetteinsatz auf andere Fußballmatches. Für solche Varianten dürften sich die meisten StartUp-Jungunternehmer interessieren.
Tippen im Büro oder im Internet?
Wer dennoch den Schritt wagt und aus kommerziellem Interesse eine Art Tippgemeinschaft oder Tipprunde im Internet gründen möchte, sollte folgendes beherzigen: Zunächst einmal als Vermittler und nicht als Veranstalter von Online-Wetten auftreten. Grundvoraussetzung ist hierfür eine Lizenz aus Staaten wie Gibraltar oder Malta. In naher Zukunft können aber, wie schon erwähnt, rechtliche Änderungen eintreten, die eine solche Lizenz in Deutschland wertlos machen.
Knackpunkt bei jedem StartUp: Die Finanzierung muss stimmen. Gründer müssen sich von der Bank Geld leihen und hierfür kreditwürdig sein. Ob die zu erwartende Verschärfung der Glücksspielregeln eine derartige Unternehmung insgesamt kostspieliger macht, bleibt abzuwarten. Kreditgeber überzeugt man immer am besten mit einem durchdachten Business-Plan. Denn das StartUp soll natürlich kein Hobby nach Art einer kollegialen Tipprunde oder Tippspiel sein, sondern möglichst schnell Gewinn abwerfen.
Geld mit Online-Wetten verdienen
In der Glücksspielbranche steckt viel Geld. Nach Informationen von „zdf-heute“ wuchsen die Steuereinnahmen von 84 Millionen 2012 auf 376 Millionen Euro in 2017. Der Wetteinsatz insgesamt betrug letztes Jahr nach Angaben des Deutschen Sportwettenverbandes 7,5 Milliarden Euro. Übrigens: Der Staat nimmt auch Steuern von juristisch fragwürdigen Wettanbietern ein. Es bleibt nur die Frage, wie lange diese juristische Grauzone anhält und was nach einer Neuregelung der Wettregeln kommt.
Weitere Ergebnisse aus der „indeed“- Umfrage zur Fußball-Weltmeisterschaft 2018:
- 12 Prozent der Befragten tippen richtig und nennen Frankreich als Sieger der Weltmeisterschaft
- 55 Prozent favorisieren vor dem Turnier die deutsche Nationalmannschaft
- 32 Prozent der Arbeitnehmer dürfen früher nach Hause gehen, wenn das DFB-Team spielt
- Weitere 23 Prozent schauen im Kollegenkreis während der Arbeitszeit
- Für 88 Prozent der Kollegen ist Fußball ein Gesprächsthema während der WM
- 29 Prozent denken sogar, dass Gespräche über Fußball der Karriere nutzen
- Ein Drittel tippt aus reinem Vergnügen mit
- 28 Prozent möchten die Atmosphäre im Job verbessern
Warum sind Bund und Länder trotzdem so zögerlich? Bei jeder Ausweitung der Wettmöglichkeiten erhöht sich die Gefahr der Spielsucht. Bereits heute gelten in Deutschland bis zu einer halben Millionen Menschen als spielsüchtig. Sie haben ihr Leben nicht mehr unter Kontrolle und ihr ganzes Denken dreht sich um den nächsten Wetteinsatz. Die Konsequenzen auf Job und Privatleben können deshalb gravierend sein: Also Trennung vom Partner oder Verlust des Arbeitsplatzes.
Um diese negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft zu reduzieren, wird der Gesetzgeber einschreiten. Wettanbieter mit Lizenzen aus Malta oder Gibraltar hat der Staat bereits im Visier. Inzwischen mischt sogar der Bund mit. Kanzlerin Merkel führte im Juni dieses Jahres Gespräche mit den Ländern, weil diese sich bisher nicht grundsätzlich auf einen neuen Glücksspielstaatsvertrag einigen konnten.
Tippen im Büro: Es sollte ein Freizeitvergnügen bleiben
Wenn überhaupt, möchte der Staat legales Glücksspiel wie Lotto 6 aus 49 oder staatliche Veranstalter von Sportwetten fördern oder zumindest am Markt erhalten. Diese Wetten auf Sportereignisse haben laut Aussagen des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer vom März 2018 nur noch einen Marktanteil von drei Prozent. Tendenz eher fallend.
Gute Nachrichten für Gründer? StartUps sollten sich aus den oben erwähnten Gründen aber nicht zu früh freuen, sich einen Stück vom Kuchen der Wettumsätze zu sichern. Also: Tippen im Büro mit Kollegen in Form einer Tipprunde ist meist nur eine hübsche Abwechslung in der Freizeit und eignet sich zur Zeit nur sehr bedingt als sicheres Investment.
StartUp im Online-Wetten? Abwarten momentan die beste Lösung
Deshalb folgende Empfehlung: Ein StartUp im Bereich Online-Wetten ist spannend, aber riskant. Genauso riskant wie für Spieler, die viel Geld in Wetten stecken und nachher verloren haben. Ob Gründer damit ihren Lebensunterhalt dauerhaft finanzieren können, ist unsicher. Der beste Tipp lautet: Abwarten, wohin der Wind sich nach einer Änderung der Glücksspielregeln dreht. Wenn der Gesetzgeber in Deutschland es schafft, europarechtskonforme Regeln zu vereinbaren, kann man immer noch in das Business einsteigen.
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