Die Politik plant eine große Reform des Glücksspielstaatsvertrages. Können StartUps davon profitieren oder ergeben sich neue bürokratische Hürden für junge Unternehmen?
Reform des Glücksspielstaatsvertrages: Das Ende einer illegalen Praxis
Sportwetten in Deutschland sind aktuell quasi illegal. Anbieter bewegen sich in einer juristischen Grauzone. Im Moment gibt es kaum Regeln, die eingehalten werden. Ein Grund ist die fehlende Konformität von deutschem zu europäischem Recht. Welche Konsequenzen ergeben sich für StartUps, die zum Beispiel in den Markt für Online-Wetten einsteigen möchten?
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Lizenzen aus Malta oder Gibraltar
Im Prinzip ist es für Gründer leicht möglich, ein Wettbüro zu eröffnen. Notwendig sind Konzessionen aus Ländern wie Malta oder Gibraltar. Der Vorteil: Es gibt momentan für StartUps keine eigenen Regeln für Deutschland, welche beachtet werden müssen. Der Staat möchte zwar gegensteuern, ist aber im Moment noch nicht in der Lage, eigene Spielregeln zu formulieren. Ein Grund ist Kompetenzgerangel zwischen den Bundesländern.
Einige Länder wie Hessen machen Druck und wünschen sich mehr Rechtssicherheit. Andere wie Schleswig-Holstein gehen eigene Wege. Im September 2017 ließ dieses Land sogar eine Reform des Glücksspielstaatsvertrages platzen. Mit der Begründung, nur „europarechtskonforme“ Regelungen im Glücksspielkollegium verabschieden zu wollen, so Landesinnenminister Hans Joachim Grote (CDU). Insgesamt scheint der Leidensdruck einiger Politiker beim Thema Staatsvertrag noch nicht allzu groß zu sein.
Reform des Glücksspielstaatsvertrages: Neuregelung kommt
Trotzdem: Eine Reform des Glücksspielstaatsvertrages ist fest geplant und hat spätestens dann Folgen für StartUps. Gründer fragen sich natürlich, ob liberale Lösungen das Ergebnis sind oder der Staat restriktiver gegen Sportwetten und Glücksspiel vorgeht. Um diese Frage zu beantworten, hilft ein Blick in den aktuellen Staatsvertrag. Dieser räumt dem Gesundheitsschutz absoluten Vorrang ein. Insbesondere Kinder und Jugendliche sollen vor den Folgen der Spielsucht geschützt werden. Spielhallen dürfen sich zum Beispiel nicht allzu nahe an Orten befinden, wo sich viele junge Menschen aufhalten.
Das Interesse der Sportwetten-Anbieter
Eine Reform des Glücksspielstaatsvertrages dürfte an diesem Schutzprinzip nicht viel ändern. Menschen vor Spielsucht zu schützen, ist übrigens auch Ziel vieler Wettanbieter. Diese wünschen sich zwar viele Freiheiten, um maximale Gewinne zu erzielen. Klare Regeln zum Glücksspiel werden aber dennoch begrüßt, um ein Minimum an Seriosität zu wahren. Außerdem: Viele Wettanbieter sind börsennotiert und im Visier von Ratingagenturen. Da geht es auch um Fragen ihrer eigenen Kreditwürdigkeit.
Reform des Glücksspielstaatsvertrages: Jetzt ein Wettbüro eröffnen?
Diese Prinzipien zum Spielerschutz sollten auch StartUps beherzigen, die ein Wettbüro eröffnen möchten. Ein Tipp: Sich auf die Vermittlung von Sportwetten & Co. verlegen und nicht als Veranstalter aufzutreten. Und ohne Lizenz läuft nichts: Es ist unabdingbar, sich mit der Kommune auf eine grundsätzliche Erlaubnis zu einigen. Spielhallen, Wettbüros und ähnliche Orte besitzen einen negativen Ruf und die Erteilung von städtischen Konzessionen ist schwierig. Daran ändert sich auch nach einer Reform des Glücksspielstaatsvertrages wenig.
Finanzierung und Kreditwürdigkeit muss stimmen
Egal, wie sich der Glücksspielstaatsvertrag ändert: Finanzierung bleibt das A und O für den Erfolg eines StartUps. Legt der Staat Gründern Hürden in den Weg, könnte die Finanzierung sogar teurer werden. Zum Beispiel, wenn gewünschte Standorte verweigert werden oder im Internet schärfere Regeln für Online-Wetten gelten. Königsweg für Neugründungen ist der realistische Business-Plan. Banken erwarten ein durchdachtes Konzept, das Profit erwirtschaftet. Genau das könnte nach einer Verschärfung als Folge der Reform des Glücksspielstaatsvertrages ein Problem werden.
Reform des Glücksspielstaatsvertrages: Boombranche Glücksspiel
Obwohl die Branche wächst und wächst: Laut „zdf-heute“ haben sich alleine die Steuereinnahmen von 84 Millionen im Jahre 2012 auf 376 Millionen im letzten Jahr erhöht. Der Deutsche Sportwettenverband geht davon aus, dass 2017 ein Gesamteinsatzvolumen von 7,5 Milliarden Euro erzielt wurde. Beträge, von denen Start-Ups auch profitieren wollen!
Aber die gesetzliche Lage bleibt unübersichtlich. Vieles ist in der Schwebe, eine umfassende Reform des Glücksspielstaatsvertrages lässt auf sich warten. Der Staat profitiert im Übrigen auch von Steuereinnahmen juristisch fragwürdiger Anbieter. Motto: Wer seine Steuern bezahlt, ist im Vorteil. Vielleicht ist das auch deshalb ein Grund, warum Länder wie Schleswig-Holstein auf die Bremse treten und im Gegensatz zu Hessen im Glücksspielkollegium Reformen beim Staatsvertrag verzögern.
Wetten als „Einstiegsdroge“ zu Online-Casinos
Ein Grund: Die Sorge des Staates, dass Sportwetten ein Einfallstor zu den Online-Casinos werden. Diese Art des Glücksspiels ist auch jetzt schon europarechtskonform verboten, obwohl sich viele Anbieter am Markt tummeln und viele Spieler aus Deutschland selbstverständlich daran teilnehmen. Über das grundsätzliche Verbot der Internet-Casinos sollte sich trotzdem jeder Gründer eines StartUps im Klaren sein. Im Gegensatz zu Sportwetten, die mit Lizenz erlaubt sind und wo die Politik lediglich klare Spielregeln festlegen möchte.
Reform des Glücksspielstaatsvertrages: Merkel redet mit den Ländern
Unregulierte Sportwetten mit Lizenzen aus Gibraltar und Malta hat der Staat als Problem erkannt. Sogar Kanzlerin Merkel persönlich hat im Juni diesen Jahres mit Vertretern der zuständigen Bundesländer über das Thema geredet. Können die Länder sich in Zukunft nicht einigen, hat der Bund die Möglichkeit einzugreifen und das Verfahren an sich zu ziehen. Welche Folgen ein Eingreifen hätte, bleibt unklar. Finden liberalere Regelungen Anwendung oder verschärft der Staat seine Regeln?
Staatliche Anbieter mit geringem Marktanteil
Zum Beispiel, um herkömmliches Glücksspiel zu schützen. Denn während die Online-Wetten boomen, sind die klassischen Lotto-Einnahmen um ein Drittel zurückgegangen, so Thomas Schäfer, Finanzminister von Hessen im März diesen Jahres. Er führt weiter aus, dass die staatlichen Anbieter von Sportwetten nur noch einen Marktanteil von drei Prozent am gesamten Markt besitzen. Der Staat möchte diesen winzigen Anteil sicher erhöhen und die ausländischen Anbieter stärker als bisher zurückdrängen. Der politische Druck scheint stärker zu werden.
Reform des Glücksspielstaatsvertrages: Sind neue Regeln konform mit dem Europarecht?
Wer als StartUp-Gründer mit ausländischen Lizenzen Online-Wetten in Deutschland anbieten möchte, sollte diese Entwicklung berücksichtigen. Eventuell kann es sogar zu einem kompletten Verbot derartiger Angebote kommen, falls neue Regelungen konform mit europäischem Recht werden.
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