Berlin boomt – nicht nur im Wohnungs- und Gewerbebau. Enormes Wachstum verzeichnen auch Berliner Startups: Die Zahl der Mitarbeiter hat sich in nur drei Jahren verdoppelt, heißt es in einer Studie. Das Startup-Board „Startup sucht“, das täglich die interessantesten Startups-Jobs in Deutschland, Europa und der Welt vom Praktikanten bis zum Geschäftsführer auf seiner Plattform einstellt, verzeichnet alleine an die 500 Einträge für Berlin.
Wirtschaftlich gesehen war Berlin seit der Wende bis zum großen Startup-Boom eher nicht auf der großen Welle mitgeschwommen – da waren München, Frankfurt und Hamburg an der Spitze. Nach dem Fall der Mauer waren zwar viele Kreative und Alternative nach Berlin gekommen, die allerdings kaum für Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze sorgten. Das änderte der Startup-Boom, der ganz Deutschland erfasste – und eben ganz besonders Berlin.
SoundCloud und Amazon machten den Anfang
Doch wann begann eigentlich der Berlin Startup-Boom und insbesondere der Berlin-Hype? Das Business Magazin für Unternehmer „förderland“ verortet dies in die Jahre 2010 und 2011. In dem Artikel „Startup-Metropole und Silicon Valley-Pendant: Wann begann die Berlin-Euphorie?“ heißt es, dass Amazon und SoundCloud den Stein ins Rollen brachten: 2011 berichtete Om Malik vom US-Blog GigaOm erstmals darüber, dass sich Amazon in Berlin niederlassen werde. Der Online-Riese hatte schon damals die Zeichen der Zeit erkannt und wollte dadurch die steigende, durch den Startup-Boom verursachte Nachfrage nach technischer Infrastruktur besser bedienen.
Auch der SoundCloud-Gründer Alexander Ljung und sein Compagnon Eric Wahlforss wählten bereits 2007 Berlin für den Sitz ihres sehr erfolgreichen Musikdiensts mit inzwischen über 200 Mitarbeitern. Als SoundCloud dann etwa um 2011 die Marke von einer Million registrierten Nutzern überstieg, gelang dem Startup damit nicht nur den internationalen Durchbruch. Auch sorgte es dafür, dass Berlin als Heimat dynamischer, innovativer und aufstrebender Startups immer mehr als der Ort für eine Neu-Gründung ins Bewusstsein von jungen Unternehmern trat.
2011 hievte auch noch das Berliner Stadtmagazin Tip ein lässiges Foto des Gründerteams des Hipster-Startups „Amen“ auf den Titel und machte damit den Hype um junge, hippe Startups in Berlin perfekt. Zu guter Letzt hatte Anfang 2011 der US-Investor Matt Cohler Startups die Empfehlung gegeben, lieber in Berlin statt im Silicon Valley zu gründen.
Der Berlin Startup-Hype
Dem Hype um Berlin als Gründer- und Startup-Hotspot waren zahlreiche Lobeshymnen über das einzigartige Nacht- und Clubleben der Stadt vorausgegangen – der Hollywood Reporter berichtete beispielsweise begeistert „How Berlin Became the Coolest City on the Planet“ und viele junge Menschen aus aller Welt – vor allem aus den Vereinigten Staaten, Israel und Italien – zog es für ein Auslands-Studium nach Berlin. Viele blieben – und fanden in den hippen Startups erste Jobs.
Video: Startupszene Berlin – Der Film
Viele Nachahmer folgten
Danach ging es fast von allein: Die ersten vielversprechenden – und entsprechend erfolgreichen Startups zogen Nachahmer im positiven Sinne regelrecht an. Fachblogs und Wirtschaftsmedien griffen das Phänomen Berlin Startup auf und schließlich waren die Begriffe wie „Gründerboom“, „Startup-Hauptstadt“ und „Silicon Valley Europas“ in aller Munde, was wiederum weitere Unternehmer und Investoren dazu bewog, sich ebenfalls in der Hauptstadt niederzulassen.
Berliner Startups in Zahlen
Eine Untersuchung des Instituts für Strategieentwicklung (IFSE) von 2016 liefert genauere Zahlen zur Berlin Startup-Gründerszene: Dass alle 20 Stunden ein Startup in Berlin gegründet würde und insgesamt 2.500 Jungunternehmen mit 60.000 Mitarbeitern existierten – diese Angaben schwirren immer wieder durchs Netz – stimme allerdings so nicht, so das IFSE.
Laut Definition eines Startups – weniger als fünf Jahre alt, skalierbares Geschäftsmodell, ohne Internet nicht denkbar – waren es 2015 insgesamt 620 Unternehmen mit insgesamt 13.200 Mitarbeitern. Zum Vergleich: Bei der letzten Zählung des IFSE aus dem Jahr 2012 gab es erst 270 Startups und 6.700 Mitarbeiter – eine Verdoppelung also in nur drei Jahren.
Das sind beeindruckende Zahlen und die gesamte Startup–Szene ist mit ihren 13.200 Angestellten immerhin der fünftgrößte Arbeitgeber der Stadt. Das noch vor Groß-Konzernen wie Daimler, Post, Telekom und Siemens. Größer sind nur die BVG und die Deutsche Bahn sowie die Kliniken der Charité und Vivantes.
Video: Startup Berlin Dokumentation
Die neuen Startups von der Spree
Den erfolgreichen Startups wie SoundCloud, Zalando, ImmobilienScout24, DaWanda und Zanox & Co. folgten viele weitere digitale Jungunternehmer, die sich besonders in Berlin-Mitte und Friedrichshain angesiedelt haben. Aktuell gibt auch wieder sehr viele interessante Neugründungen in Berlin:
- Ackee – entwickelt mobile Apps und Web Apps: nativ für die Betriebssysteme iOS und Android mit attraktiven (bereits preisgekrönten) Designs und modernen Technologien, zudem erstellt das Startup Webpräsentationen, einfache Micro Sites, E-Shops und robuste Informationssysteme.
- Blixxter – ist eine neue Form der Arbeitsplatzvermittlung: Formular ausfüllen, abschicken, abwarten. Die Suche und die Zuordnung einer geeigneten Stelle oder eines geeigneten Bewerbers übernimmt blixxter und erspart dem Bewerber sowie den Firmen so das langwierige Durchstöbern, Sortieren und Auswählen. blixxter ist für Arbeitnehmer kostenfrei und bietet für Arbeitgeber ein sogenanntes „Wunschpreiskonzept”.
- mycoffeein App – das Startup hat eine App entwickelt, mit der man seinen Coffee to go bequem per Smartphone vorbestellen kann. Sie zeigt alle Cafés in der Umgebung des Users, mit der App kann der persönliche Lieblingskaffee schnell und sicher bargeldlos in der App bezahlt werden. Vorteil: kein Anstehen mehr, keine Warteschlange. Der Slogan des jungen Startups lautet entsprechend auch: „Spare dir das Wertvollste, was du nicht kaufen kannst. Deine Zeit.“
- Keylight ermöglicht es Unternehmen, ihre digitalen Geschäftsmodelle erfolgreich umzusetzen und dauerhaft zu etablieren, und das über den gesamten Lebenszyklus ihrer IT-Projekte.
- LionsHome ist ein Online Suchportal für Möbel, Wohnaccessoires und Heimwerkerbedarf und ermöglicht seinen Nutzern damit das Finden passender Einrichtungsprodukte zum besten Preis. Dazu gibt es ein eigenes Magazin, gefüllt mit Einrichtungsideen und Deko-Inspirationen.
- Predict.io hat ein Sensornetzwerk auf Basis von Smartphones entwickelt und hilft Kunden, Probleme zu lösen – von der Erkennung von freien Parkanlagen über die Vermarktungsautomation bis hin zur Kundenflussanalyse für Einzelhandelsunternehmen.
- Studiwork bietet eine Plattform zur Vermittlung von Hilfstätigkeiten aller Art, Privatpersonen und Unternehmen können hier einfach und unkompliziert Studenten für Aufträge buchen.
Berlin Startup: Ausblick und Zukunft
Laut der Studie wird die Startup-Szene in Berlin schon bald der größte Arbeitgeber der Hauptstadt sein. Wenn auch die schon aus den Kinderschuhen herausgewachsenen und bis zu zehn Jahre alten Startups hinzugezählt werden, kommt das IFSE schon heute auf etwa 30.000 Beschäftigte – mit dabei die alteingesessenen Branchenriesen wie DaWanda, Zalando, Babbel und SoundCloud, die alle im Jahr 2007 (DaWanda 2006) gegründet wurden.
Branchen ändern sich
Die meisten Startups arbeiten in kleinen Teams. Im Durchschnitt hat ein Berliner Startup laut IFSE 22 Mitarbeiter. Einen sehr kleinen Teil der Szene mit insgesamt nur 21 Unternehmen (3,4 Prozent) machen Startups aus, die mit Musik, Film, Theater oder Oper zu tun haben. Außerdem verändern sich die Branchen: Immer weniger versuchen ihr Glück mit Content- und E-Commerce-Geschäftsmodellen. Die Unternehmens-Gründungen sind tech-orientierter geworden und viele Startups (2015 mehr als die Hälfte) sind im Service-Bereich (B2B wie B2C) unterwegs.
Investoren siedeln sich verstärkt an
Den Startup-Boom haben auch Investoren erkannt: Um die zahlreichen Startups zu finanzieren, kamen namhafte Unternehmen wie Point Nine Capital, Hasso Plattner Ventures und die IBB Beteiligungsgesellschaft nach Berlin. Auch sogenannte Inkubatoren haben sich neben den reinen Kapitalgebern zunehmend in Berlin etabliert – etwa Firmen wie Rocket Internet, Team Europe und You Is Now. Hilfe und Kapital bietet auch der Business Angel Club Berlin.
Gute Neuigkeiten für Startup-Gründer gibt es auch von der Versicherungsgruppe Signal Iduna. Eigentlich in Dortmund und Hamburg beheimatet, plant Signal Iduna derzeit in Berlin ein Lab und legt mit Signal Iduna Digital Ventures ein Investmentvehikel für InsurTech-Themen auf. In den kommenden fünf Jahren sollen zwischen 50 und 100 Millionen Euro in neue Startups investiert werden.
Events und Workshops für Startups in Berlin
Die guten Vernetzungsmöglichkeiten in Berlin werden von vielen Startup-Gründern hochgelobt und auch geschätzt: In fast jeder Kalenderwoche gibt es in Berlin ein Networking-Event für Startup-Gründer, egal ob kleines Netzwerk-Meeting, Experten-Workshop oder internationale Konferenz. Denn sich weiterzubilden und etwas von den Erfahrungen der bereits Etablierten mitzunehmen, ist gerade für junge Gründer wichtig und fehlende Finanzmittel können oftmals durch kreative Methoden und Kampagnen ausgeglichen werden.
Hippe Startup-Büros
Viele der Berliner Startup-Teams sind in Coworking Spaces untergekommen und haben ihre Büros etwa im Betahaus oder der MobileSuite. Jedes Startup-Büro legt dabei besonders viel Wert auf Teambuilding und soziale Kontakte – Google etwa lässt seine Mitarbeiter auf einer Art Spielplatz arbeiten und in der Factory Berlin hält SoundCloud beispielsweise Zimmer für kleine Nickerchen und ein meditatives Pflanzenzimmer bereit – perfekte Arbeitsbedingungen für die zahlreichen jungen Bewerber der Generation Y und Z, denen es vor allem um eine gute Arbeitsatmosphäre geht und das sture „Arbeit nach Vorschrift“-Konzept der vergangenen Jahrzehnte ablehnen.
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